Zweifel am Nutzen einer Sauerstoffgabe bei Herzinfarkt

Die Zufuhr von Sauerstoff gehört zu den Standardmaßnahmen bei Herzinfarkt-Patienten. Eine neue Studie hat nun jedoch festgestellt, dass die Ein-Jahres-Sterblichkeit dadurch nicht sinkt.

Es erscheint schlüssig: Der Herzmuskel ist mit Sauerstoff unterversorgt, also führt man diesen über eine Atemmaske oder Nasenkanüle zu. Seit vielen Jahren ist das gängige Praxis bei kardiologischen Notfallpatienten. Ob es auch wirklich einen positiven Effekt zeitigt, wurde lange nicht systematisch untersucht.

Eine US-Studie kam bereits 2014 zu dem Schluss, dass die Sauerstoffgabe keinen medizinischen Vorteil bringe. Vielmehr wurden sogar Nachteile attestiert, nämlich mehr kardiovaskuläre Ereignisse (also behandlungsbedürftige Beschwerden) innerhalb eines halben Jahres nach dem Infarkt. Diese Ergebnisse fußten allerdings auf Untersuchungen von lediglich 638 Patienten, was die wissenschaftliche Aussagekraft einschränkte.

Über solche Zweifel erhaben ist nun eine schwedische Studie, die kürzlich im „New England Journal of Medicine“ erschienen ist. Für sie wurden Daten von insgesamt 6.629 Patienten ausgewertet.

Mehr erneute Klinikeinweisungen nach Sauerstoffgabe
Wie schon die US-Forscher können ihre schwedischen Kollegen keine heilsame Wirkung der Sauerstoffzufuhr erkennen. Nach einem Jahr waren von den mit Sauerstoff versorgten Patienten 5,0 Prozent verstorben, von der Vergleichsgruppe 5,1 Prozent (wobei jeweils sämtliche Todesursachen einbezogen wurden, nicht nur kardiovaskuläre). Bei den erneuten Klinikeinweisungen innerhalb eines Jahres nach dem Infarkt liegen die Patienten mit Sauerstoffgabe sogar deutlich vorn, mit 3,8 Prozent versus 3,3 Prozent in der Gruppe, die nur Umgebungsluft geatmet hat.

„Mit der schwedischen Studie gerät ein alter Glaubenssatz der Herzmedizin endgültig ins Wanken“, kommentiert der Herzspezialist Dr. Patrick Darb-Esfahani von der Kardiologie am Rüdesheimer Platz in Berlin-Friedenau. „Nach Lage der Dinge ist eine Sauerstoffzufuhr nur bei Patienten mit akuter Sauerstoff-Unterversorgung – einer sogenannten Hypoxie – sowie bei akuter Herzinsuffizienz und Kurzatmigkeit angeraten.“ Bei allen anderen Patienten sollte auf die Sauerstoffgabe verzichtet werden, um nicht am Ende möglicherweise Negativeffekte hervorzurufen.